Donnerstag, 6. Dezember 2007

Dampf ablassen!

Der Homo Sapiens Studentus lässt sich gemeinhin in drei Gattungen eingliedern: die erste Gattung der "Individualisten" zeichnet sich dadurch aus, dass sie niemand anderem vertrauen außer sich selbst, getreu dem Motto "Wenn man's nicht selbst macht wird's falsch!". Die "Kollektivisten" hingegen lassen sich gerne von der Gruppendynamik mobilisieren. Einer sagt, wo's lang geht und die anderen machen's. Dazwischen regiert die Gleichgültigkeit, in der Regel angetrieben von der Maxime "Es wird ja sowieso nix!".
Ich sah mich selbst bisher in der ersten Kategorie, konnte mich aber auch immer mit Gruppenarbeiten arrangieren (das lief dann aber meist auch auf geballte Kompetenz hinaus ;) ). Nach meinen ersten Taiwan-Erfahrungen aber sehe ich mich definitiv und unumstößlich in der Ecke der Individualisten, geprägt von der Grundeinstellung "Pack das ja nich an, du machst alles kaputt!".

In den etwa sechs Wochen zwischen Zwischen- und Abschlussprüfungen werden in den meisten Kursen Gruppenarbeiten präsentiert. Das ist ja in Deutschland ganz ähnlich und auch gut so. Nächste Woche werde ich in der Vorlesung "International Etiquette and Communication" eine Präsentation zum Thema Begräbniskultur im internationalen Vergleich halten. Ich selbst werde natürlich über das Christentum in Deutschland referieren. Zu diesem Zweck wurde mir (warum auch immer) eine Taiwanesin zugeteilt, mit der ich das Thema zusammen ausarbeiten und erörtern sollte. Gänzlich unvoreingenommen habe ich das Ruder an mich gerissen, die Aufgaben fair und verständlich aufgeteilt und meine Partnerin gebeten, mir ihre Ergebnisse bis zum Donnerstag (der vergangenen Woche) per eMail zukommen zu lassen. Dafür hatte sie insgesamt etwa drei Wochen Zeit. Letzte Woche Donnerstag (am Stichtag) kam sie zu mir und begrüßte mich mit dem Satz "Sorry Toni, I don't have the information". Als ich sie nach dem 'warum' fragte, erwiderte sie, dass sie einfach nicht verstanden hätte, was sie machen sollte. Anstatt mich anzurufen, mir eine eMail zu schicken oder mich in der Uni zu fragen, hat sie einfach bis zum letzten Tag gewartet und lief mit nichts außer ihren strohigen Haaren gegen die Wand, die ich ihr errichtet habe. Denn selbstverständlich hab ich das so nicht hinnehmen können und ihr nochmals sehr einfühlsam bis ins letzte Detail erklärt, was ich für Informationen von ihr benötige und ihr erneut eine Frist bis Mittwoch gesetzt (vor zwei Tagen). Und tatsächlich habe ich am Mittwoch Abend auch eine Antwort erhalten. Meine Freude darüber ließ aber sehr schnell nach als ich gesehen habe, von welcher Quelle sie ihre Informationen bezog. Da hat die Frau doch allen Ernstes die Fragen, die ich ihr gegeben habe, in einem Forum auf Yahoo! gepostet. Jeder beliebige Internet-User kann in diesen Foren seinen Senf dazu geben. Recherchieren auf Wikipedia ist schon dämlich. Aber das toppt wirklich alles. Anstatt selbst zu recherchieren hat sie einfach online irgendwelche x-beliebigen Menschen gefragt, die sie nicht mal kennt und deren Glaubwürdigkeit ich nicht einzuschätzen vermag. Aus der Information "In Deutschland werden zur Trauerfeier oft frische Blumen überreicht." lässt sich aber eine gewisse Oberflächlichkeit ableiten.
Nun, wenigstens erklärt das so ziemlich alles, was ich hier bisher an taiwanesischen Präsentationen gesehen habe: oberflächlich recherchierte Informationen, wahllos zusammen geschmissen mit Bildern, die nicht zum Text passen und das alles verpackt in einer geschmacklos gestalteten fehlerhaften PowerPoint-Datei. So viel dazu!

Und als wäre das nicht schon genug, kam am Mittwoch direkt noch eine Hiobsbotschaft. Es sieht nämlich ganz so aus, als sei ich (man höre und staune) in Service Management durchgefallen. Glücklicherweise bin ich da aber nicht der einzige - der ganze Kurs ist durchgefallen! Schon vor der Prüfung hab ich mich über die Diskussionsthemen aufgeregt, die uns zum Examen nahe gelegt wurden. Die waren nämlich alles andere als eindeutig formuliert, weswegen ich den Fehler aus voller Überzeugung auch nicht bei mir sondern bei der Professorin sehe. Nach intensiver Diskussion will sie nun die Bewertung anpassen, was auch immer das heißen mag.
Mein Chinesisch macht derweil aber Fortschritte. Für beide Mandarin-Prüfungen gab's ein A. Deswegen gibt's jetzt auch nochmal eine Hommage an die chinesische Sprache und ihre Wertschätzung deutscher Wertarbeit (man achte auf das Auto unten links).















Die Situation generell und in mir pers
önlich ist also leicht angespannt. Aber das habe ich heute kompensieren können. Aus TaiwanToni wird nämlich TravelToni. Am 23. Januar fliege ich nach Chiang Mai im Norden Thailands und schlage mich dann vor dort aus mit dem Rucksack über Bangkok - Ko Samui - Angkor Wat - Phnom Penh und Saigon durch bis nach Hanoi, die Hauptstadt Vietnam's. Dieser Blog wird dann mehr oder weniger zum Reisetagebuch, je nachdem, wie oft ich einen Internetzugang finde. Das bringt mal ein wenig frischen Wind zwischen meine Zeilen, und den können wir wohl alle ganz gut gebrauchen ;)

Ich bin übrigens arg (positiv) überrascht, wieviele Menschen diesen Blog lesen. Das ehrt mich, also vielen Dank an dieser Stelle :)

Ein schönes Wochenende wünscht
der toni